09.10.2025 | von Patrick Fischer, M.Sc., Gründer & Data Scientist: FDS
Die Digitalisierung hat in den letzten Jahrzehnten viele Berufsfelder verändert, doch selten war der Wandel so rasant und so tiefgreifend wie im Content Marketing. Mit dem Einzug künstlicher Intelligenz (KI) – insbesondere generativer Sprachmodelle wie GPT-4 oder Googles Gemini – gerät eine ganze Berufsgruppe unter Druck: Content-Schreiber, Texter und Copywriter bangen um ihre Existenz. Was einst als kreative, unverzichtbare Arbeit galt, wird nun zunehmend automatisiert. Ein struktureller Umbruch hat begonnen – mit weitreichenden Folgen für Unternehmen, Agenturen und Arbeitskräfte.
KI schreibt – schneller, günstiger, skalierbarer
Die Argumente für den Einsatz von KI im Content Marketing sind aus betriebswirtschaftlicher Sicht kaum zu ignorieren: Künstliche Intelligenz kann innerhalb von Sekunden SEO-optimierte Blogartikel, Produktbeschreibungen, Newsletter oder Social-Media-Posts generieren – rund um die Uhr, ohne Urlaub, Krankheit oder Mindestlohn.
Ein Beispiel: Wo ein menschlicher Texter früher mehrere Stunden für einen gut recherchierten Blogartikel benötigte, produziert ein KI-Modell wie GPT-4o innerhalb weniger Minuten mehrere Varianten desselben Themas. Tools wie Jasper, Neuroflash oder Writesonic bieten bereits „Content-as-a-Service“ an – oft für einen Bruchteil des bisherigen Budgets.
Laut einer aktuellen Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) sehen sich bis zu 40 Prozent der freiberuflichen Content-Schreibenden in Deutschland durch KI in ihrer Existenz bedroht. In den USA und Großbritannien ist der Trend noch drastischer: Dort haben große Medienhäuser bereits Teams von Textern entlassen oder massiv verkleinert.
Entlassungen, Honorarkürzungen, Outsourcing
„Ich habe über zehn Jahre als freier Texter für Agenturen und Startups gearbeitet – doch seit Anfang 2024 bekomme ich kaum noch Aufträge“, sagt Sandra K., freiberufliche Copywriterin aus Hamburg. „Viele Kunden lassen ihre Texte jetzt direkt von einer KI schreiben und buchen nur noch einen Lektor – wenn überhaupt.“
Ähnliche Erfahrungen machen viele in der Branche: Festanstellungen werden gestrichen, Freelancer-Honorare halbiert oder gleich ganz gestrichen. Besonders betroffen sind Einsteiger und Junior-Texter, deren Aufgaben – etwa einfache Produkttexte oder Social-Media-Captions – mittlerweile nahezu vollständig von KI übernommen werden können.
Große Agenturen wie Jung von Matt oder Serviceplan experimentieren längst mit KI-Systemen zur automatisierten Content-Erstellung. Gleichzeitig verlagern Unternehmen Content-Prozesse inhouse, da KI-gestützte Tools mittlerweile auch für Laien leicht zu bedienen sind.
„Menschliche Kreativität ist nicht ersetzbar“ – oder doch?
Verfechter*innen des menschlichen Textens argumentieren, dass echte Kreativität, Empathie und kulturelles Fingerspitzengefühl weiterhin dem Menschen vorbehalten bleiben. Doch die technologischen Fortschritte der letzten Jahre haben diese Annahme ins Wanken gebracht.
KI-generierte Texte imitieren nicht nur Stil und Tonalität, sondern können mittlerweile auch Humor, Emotionen und Zielgruppenansprache erstaunlich gut umsetzen. Die Grenze zwischen menschlichem und maschinellem Text verschwimmt zunehmend – nicht nur für Leser, sondern auch für Redakteure und Marketingverantwortliche.
„Wir lassen mittlerweile 70 Prozent unserer Blogbeiträge von einer KI schreiben“, sagt Lisa Meier, Content-Leiterin eines E-Commerce-Unternehmens. „Die Qualität ist völlig ausreichend – und mit ein bisschen Nachbearbeitung merkt niemand den Unterschied.“
Neue Rollen, neue Chancen – oder nur heiße Luft?
Während klassische Texter-Jobs unter Druck geraten, entstehen neue Berufsbilder rund um den Einsatz von KI im Marketing: Prompt-Designer, KI-Editoren, Content-Kurator*innen. Doch diese neuen Rollen erfordern andere Qualifikationen – technisches Verständnis, Datenkompetenz und strategisches Denken. Für viele klassische Copywriter ist der Umstieg schwer.
„Die Verlagerung hin zu KI-basiertem Arbeiten ist nicht per se schlecht“, sagt Arbeitsmarktexperte Dr. Jens Langenbach. „Aber wir erleben eine massive Umschichtung: Wer sich nicht weiterbildet oder spezialisiert, wird auf der Strecke bleiben.“
Auch Bildungseinrichtungen und Berufsverbände stehen unter Druck: Die Ausbildung zum Werbetexter oder Online-Redakteur wirkt vielerorts überholt. KI-Know-how, Datenanalyse und Tool-Kompetenz müssten längst Teil der Lehrpläne sein – doch der Wandel in den Lehrinstitutionen hinkt dem technologischen Fortschritt hinterher.
Ethik, Qualität und Vertrauen – wohin steuert die Content-Welt?
Neben ökonomischen Fragen stehen auch ethische und qualitative Aspekte im Raum: Können wir KI-generierte Texte überhaupt noch als glaubwürdig einstufen? Wer trägt Verantwortung für Fehlinformationen, Plagiate oder diskriminierende Inhalte, die von Maschinen produziert werden?
Zudem warnen Expert*innen vor einer „Content-Inflation“: Wenn alle Unternehmen KI nutzen, um in Masse Inhalte zu generieren, sinkt die Aufmerksamkeit für einzelne Beiträge – und das Vertrauen in die Seriosität der Quellen leidet.
„Content Marketing droht zum seelenlosen Einheitsbrei zu verkommen“, warnt die Medienethikerin Prof. Dr. Katharina Scholz. „Gerade deshalb braucht es menschliche Kuratoren, die mit Haltung, Originalität und Verantwortung arbeiten.“
Fazit: Die Branche im Umbruch – das Ende oder ein Neuanfang?
Der Job-Kahlschlag im Content Marketing ist real – und er schreitet voran. Künstliche Intelligenz verändert die Art, wie Inhalte erstellt, konsumiert und bewertet werden. Für viele Texterinnen und Texter bedeutet das: Umschulung, Spezialisierung oder der harte Abschied von einem Beruf, der ihnen einst Kreativität und Selbstbestimmung bot.
Doch der Wandel birgt auch Chancen. Wer sich mit KI-Tools auskennt, strategisch denken kann und bereit ist, seine Rolle neu zu definieren, findet auch in der neuen Content-Welt seinen Platz – vielleicht sogar mit mehr Einfluss als zuvor.
Die Frage bleibt: Werden wir in Zukunft noch wissen – oder überhaupt noch wissen wollen – ob ein Text von einem Menschen geschrieben wurde?